Und schon stand ich mittendrin: in einer Kundgebung gegen Corona-Maßnahmen. Zwischen Impfgegnern und Hippies, Mitgliedern der „Identitären Bewegung“, Leuten, die ihren Job verloren haben und denen, die sich den deutschen Kaiser zurückwünschen. Alle ohne Maske. Alle sehr laut. Ein wenig ratlos zog ich weiter – berühren konnte mich diese Mischpoke Andersdenkender nicht.
Was mich allerdings berührt, ist der Umgang mit Freunden, Nachbarn, Kollegen und Klienten, die zu Corona und all den Maßnahmen, die wir mit der Plage hinnehmen müssen, eine komplett andere Meinung haben. Und immer wieder frage ich mich, wie gehe ich damit am besten um? Darüber reden? Versuchen, zu überzeugen?
Wir alle versuchen uns die neue komplizierte Welt zu erklären und die schier überwältigende Flut von Informationen irgendwie zu verarbeiten. Dass der eine oder andere Freund bei dieser Herausforderung bei etwas verdrehten Antworten landet, ist doch eigentlich nicht verwunderlich. Und doch manchmal so schwer auszuhalten. Wenn der Nachbar alles für „total übertrieben hält“, die gute Freundin Corona mit Zahlen und Fakten weg-rechnen will und unter Kollegen am Mittagstisch die Stimmung kippt, wenn der Meinungscocktail zu bunt wird.
Dann wünsche ich mir von allen Seiten ein wenig Bescheidenheit im Umgang mit dem eigenen Meinungsbild. Ja, die eigene Meinung ist das, was den Menschen von heute zum Menschen macht. Aber müssen wir diese ohne Rücksicht auf Verluste denn immer kundtun? Lohnt es sich nicht auch, einfach mal zuzuhören und zu denken: ‚Aaaaaah, der Kollege denkt also so. Interessant.‘ Dann muss ich gar nicht überlegen, was ich seiner Meinung entgegenhalten kann. Muss nicht argumentieren und schon gar nicht versuchen, zu überzeugen.
Und wenn ich jetzt noch einmal darüber nachdenke, fällt mir auf, dass diese unsäglich-nervige Alltagsmaske sogar ein wenig dabei hilft, dass die Meinung nicht so leicht aus dem Mund fallen kann.